Die Kritik war sich einig. Herrlicher habe ein Orchester in Wien nie geklungen als an diesem 6. Januar 1870, beim allerersten Konzert im funkelnagelneuen Musikvereinsgebäude. Dieser Saal, das spürte man gleich, suche seinesgleichen in Europa.
Begeisterungsstürme für die Mitwirkenden, Jubel im Goldenen Saal. Doch was war das eigentlich für ein Orchester, das hier spielte? Der Programmzettel nannte, fast verschämt kleingedruckt, die „Mitwirkung der ausübenden Gesellschafts-Mitglieder“, doch die Kenner wussten: Dieses Musikvereinsorchester war eine zusammengewürfelte Partie aus Mitgliedern des Hofopernorchesters, Konservatoriumsprofessoren und gut trainierten Dilettanten. Konnte man so weitermachen?
Der famose neue Saal gab der Gesellschaft der Musikfreunde eine Trumpfkarte in die Hand, das Musikleben Wiens – und darüber hinaus – entscheidend zu gestalten. Aber klar war auch: Es brauchte à la longue eines Orchesters, um die Gesellschaftskonzerte stabil auf ein professionelles Spitzenniveau zu bringen. 1900 war es so weit. Die neu gegründeten Wiener Symphoniker – damals noch unter dem Namen Wiener Concertverein – stellten dieses Orchester. Und noch heute bestreiten die Wiener Symphoniker den prozentuell größten Teil der Orchesterkonzerte im Programm des Musikvereins. Wie sich die Gesellschaft der Musikfreunde künstlerisch präsentieren kann, hängt auch an ihrem Zusammenspiel mit den Wiener Symphonikern. Und da darf, ganz konkret und aktuell, von einer Glückskonstellation gesprochen werden.
Mit opulenten Programmen feiert die Gesellschaft der Musikfreunde 2019-20 das 150-Jahr-Jubiläum ihres Gebäudes, zugleich geht in dieser Saison die viel zu kurze Ära von Philippe Jordan als Symphoniker-Chefdirigent zu Ende. Jordan hat dem Orchester eine Glanzzeit beschert – und dies auch mit faszinierenden programmatischen Akzenten, die er in Kooperation mit dem Musikverein setzen konnte. Dass die gemeinsame Reise abschließend zu Johannes Brahms führt, hat seine eigene feine Symbolik.
Ins noch neue Haus zog Brahms 1872 als „artistischer Direktor“ ein. Er blieb ihm treu – auch nach seinem Abschied als Chef. Und so wird es, hoffen wir, auch bei Philippe Jordan sein.
Überhaupt zeigt ein Blick auf die Symphoniker-Konzerte im Musikverein, wie dauerhaft künstlerische Beziehungen sein können. Wiederbegegnungen gibt es mit Vladimir Fedosejev, dem einstigen Symphoniker-Chef, und einer Reihe von Dirigenten, die früher an der Spitze anderer Wiener Orchester standen: Bertrand de Billy, Cornelius Meister und Andrés Orozco-Estrada, dem designierten Chefdirigenten der Symphoniker.

Wenn die Saison dann mit Mahlers Achter Symphonie unter Philippe Jordan zu Ende geht, schwingt auch da ein Stück großer Musikvereinsgeschichte mit. Schon bei der Uraufführung 1910 sang der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde. Was das Singen anging, behaupteten die „ausübenden Gesellschafts-Mitglieder“ ihren Spitzenplatz. Beim Orchester übergaben sie, klug genug, das Zepter an die Wiener Symphoniker.