Alan Gilbert zählt zu den großen Dirigenten unserer Zeit
Gilbert war von 2009 bis Juni 2017 Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker und ist nun designierter Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters.
Nun kehrt er endlich zurück und präsentiert in vier Konzerten im Musikverein und im Wiener Konzerthaus einen tschechischen Schwerpunkt. Im Wiener Konzerthaus steht dabei auch ein Werk, das in seiner amerikanischen Heimat entstanden ist, auf dem Programm: Bohuslav Martinus im US-Exil komponierte Symphonie Nr. 4 ist eine beeindruckende Reaktion des böhmischen Komponisten auf das Ende des Zweiten Weltkriegs 1945.
der die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts mit seiner ungemein farbenreichen, harmonisch schillernden und rhythmisch explosiven Tonsprache wesentlich mitgeschrieben hat, jedoch bis heute leider vernachlässigt werde. Martinu begann die Arbeit an der Vierten Symphonie 1945 in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs und vollendete sie wenige Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation des NS-Regimes. Martinus Musik strahle zwar zunächst durchaus Optimismus für eine friedliche Zukunft aus, so Gilbert, aber im zweiten Satz seien dann erschütternde Nachklänge auf den Krieg unüberhörbar, die sich erst im spirituellen dritten Satz auflösten.
Aber auch zahlreiche Werke von Martinus Landsmann Antonin Dvorák sind nach Gilberts Empfinden immer noch viel zu wenig in den Konzertsälen berücksichtigt. Deshalb wird er mit den Wiener Symphonikern auch das selten zu hörende Klavierkonzert aufführen, das es wegen seiner poetischen und lyrischen Qualitäten schwer in der Welt der Virtuosität hat.
Als Solist mit dabei ist ein wahrer Experte für das Werk: der exzeptionelle britische Pianist Stephen Hough. „Es ist wahnsinnig schwer zu spielen, aber klingt überhaupt nicht danach“, beschreibt er das Stück. „Nicht unbedingt die ideale Kombination aus Sicht des Interpreten.“
Alan Gilbert widmet sich aber auch einem von Dvoráks kühnen Orchesterwerken aus seiner späten Schaffensphase. In seinen späten Jahren überraschte Dvorák die Musikwelt nämlich mit Werken in einem Genre, das man gerade ihm nicht zugetraut hätte: mit Symphonischen Dichtungen. Ganze fünf Werke dieser Gattung schrieb er kurz nacheinander in den Jahren 1896 und 1897, also nach der Rückkehr aus New York.
Für den US–Dirigenten ist die über einen schaurigen slawischen Märchenstoff komponierte Tondichtung „Das goldene Spinnrad“ in ihrer Dramatik geradezu eine Oper ohne Worte. Mit der an der tschechischen Sprache orientierten Deklamation der musikalischen Themen wies Dvorák in diesen Tondichtungen übrigens bereits auf den Mähren Leoš Janáček voraus, der seine Musik ebenfalls aus den Melodien der Sprache gewann. Ein glanzvoller, vorwärtsweisender Schlusspunkt auf einer ausgefallenen musikalischen Route durch Böhmens und Mährens Hain und Flur.