Yefim Bronfman
Yefim Bronfman
Yefim Bronfman · Artist in Residence
Dreimal trat der Artist in Residence der Saison 2019–20, Yefim Bronfman, bislang mit dem Orchester auf. Am Programm der drei Konzerte im Dezember 2017 stand mit Tschaikowskis Zweitem Klavierkonzert ein Werk, das es üblicherweise schwer hat im Musikbetrieb: So übermächtig, so dominant ist Tschaikowskis Vorgängerwerk, einer der Meilensteine der Klavierliteratur, als dass es das Stück geschafft hätte, sich seinen eigenen festen Platz im Repertoire zu erkämpfen.
Es ist bezeichnend für die einfühlsame Kunstfertigkeit und die spannungsgeladene Interpretationsmacht von Bronfmans Spiel, dass bei den Konzerten weder ein Gedanke an Tschaikowskis Erstes Klavierkonzert noch an andere noch berühmtere Werke aufkam. „Bronfman zu lauschen ist so, als befände man sich in einem überfüllten Raum, in dem ein besonders tiefsinniger Gesprächspartner zu sprechen beginnt und alles plötzlich verstummt, um in gebannter Aufmerksamkeit zuzuhören“, beschrieb die Chicago Sun Times einmal Bronfmans Wirkung. Sein Spiel ist positiv absolutistisch: Es zieht alles völlig in seinen Bann; lässt keinen Raum, Zeit und Gedanken für anderes. Und bleibt dabei niemals gleich.
„Ich halte Tradition vielmehr für die sehr dicke Kruste, die wir an unseren Schuhsohlen mitschleppen“, erklärte Bronfman einmal seinen künstlerischen Ansatz. „Darüber wird vergessen, auf was es wirklich ankommt, was die Substanz ist. Ich versuche, es anders zu spielen – nicht, um es anders zu ma-chen, als Selbstzweck! – so, wie ich es fühle. Und das wechselt von Aufführung zu Aufführung. Ich spiel völlig unterschiedlich von Nacht zu Nacht, und das geschieht ganz natürlich selbstverständlich in einem bestimmten Rahmen des Annehmbaren, dem Stück Angemessenen.“
Grammy-Gewinner Bronfman
Mit der Verpflichtung des Grammy-Gewinners Bronfman als saisonalem Partner ist den Wiener Symphonikern zweifellos wieder ein künstlerischer Coup geglückt. Wie seine Vorgänger in der Position, die Violinisten Nikolaj Szeps-Znaider und Julia Fischer, die Pianisten Pierre-Laurent Aimard und Jean-Yves Thibaudet sowie die Gebrüder Renaud und Gautier Capuçon zählt Yefim Bronfman zur absoluten Weltspitze seines Metiers.
Weit die Grenzen des Klassikbetriebs
Sein Renommee übersteigt dabei weit die Grenzen des Klassikbetriebs. So hat Bronfman sogar Einzug in die (amerikanische) Literatur gehalten: In seinem preisgekrönten Roman „Der menschliche Makel“ verewigte ihn der große amerikanische Schriftsteller Philip Roth wie folgt:
„Dann erscheint Bronfman. Er ist eine Naturgewalt, die sich mit einem Sweatshirt getarnt hat, jemand, der auf die Bühne geschlendert kommt und eigentlich zu einem Zirkus gehört, wo er der starke Mann ist, und für den der Flügel eine lachhafte Herausforderung der gewaltigen Kräfte darstellt, über die er verfügt.“
Sieben Konzerte und vier Programme
umfasst die Residenz der 1958 im uzbekischen Taschkent geborenen und unter anderen bei Rudolf Serkin und Leon Fleisher ausgebildeten „Naturgewalt“ Bronfman bei den Symphonikern. Mit Philippe Jordan, der schon die denkwürdigen Konzerte im Dezember 2017 leitete, präsentiert er Brahms’ Erstes Klavierkonzert. Mit dem Ersten Gastdirigenten des Orchesters, Lahav Shani, widmet er sich wenige Tage darauf Brahms’ Zweitem Klavierkonzert. Später in der Saison interpretiert er, ebenfalls unter Shani, Rachmaninows Drittes Klavierkonzert. Jordan steht wiederum am Pult des finalen Konzerts der Residenz – Mozarts Klavierkonzert Nr 24 c-moll beim Lucerne-Festival im August 2020.