Wiener Klang seit 1900

Die Geschichte der Wiener Symphoniker

Wiener Klang seit 1900

Die Wiener Symphoniker wurden 1900 unter dem Namen Wiener Concertverein gegründet, um „den längst gehegten Wunsch nach einem ständigen Symphonieorchester, welches den Genuß ernster symphonischer Musik weiteren Kreisen zugänglich machen sollte“, zu verwirklichen. Ziel war es, so das Gründungs-Komitee weiter, „gute Musik in möglichst guter Ausführung, jedoch zu möglichst billigen Preisen“ anzubieten. Neben einer fundierten Pflege des klassisch-romantischen Repertoires sollte dabei endlich auch die zeitgenössische Musik in Wien zum Zug kommen. Am 30. Oktober 1900 gab der aus dem Geist der Wiener Moderne entstandene neue Klangkörper unter Ferdinand Löwe sein offizielles Debüt im Großen Saal des Wiener Musikvereins.

Und tatsächlich brachte das Orchester gleich in seinen ersten Jahrzehnten eine beeindruckende Reihe an heute selbstverständlich im Repertoire verankerten Werken zur Uraufführung: Anton Bruckners Neunte Symphonie, Arnold Schönbergs „Pelleas und Melisande“ und seine wegweisenden „Gurre-Lieder“, Maurice Ravels Konzert für die linke Hand, Alexander von Zemlinskys „Die Seejungfrau“ und Franz Schmidts „Das Buch mit sieben Siegeln“ – um nur einige zu nennen. Mit mutigen Programmen am Puls der Zeit schrieb das Orchester Musikgeschichte. Legendär ist das „Watschenkonzert“ vom 31. März 1913: Arnold Schönberg dirigierte eigene Werke und solche von Zemlinsky, Webern, Berg und Mahler; das Konzert musste vorzeitig abgebrochen werden, um die heftigen Tumulte im Publikum unter Kontrolle zu bringen.

Schönberg reiht sich ein in eine lange Liste namhafter Komponisten, die ihre Werke den Wiener Symphonikern anvertrauten und dabei auch selbst am Dirigentenpult Platz nahmen: Unter anderen waren Gustav Mahler, Richard Strauss, Anton von Webern und Franz Schreker dem Klangkörper als Dirigenten verbunden. Aber auch für Größen des internationalen Musiklebens wie Claude Debussy oder Béla Bartók, der wiederholt als Pianist mit dem Orchester zusammenarbeitete, waren die Wiener Symphoniker die erste Adresse in Wien.

Neben dem prononcierten Engagement für die Musik der Gegenwart setzte das Orchester auch bei der Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Erbe der Klassiker Maßstäbe. So brachten sie gleich in ihrer ersten Spielzeit 1900–01 als erstes Wiener Orchester überhaupt alle Symphonien Beethovens nacheinander zur zyklischen Aufführung. Und nicht nur bei Beethoven stellte der Klangkörper die so lange vermisste kontinuierliche Repertoire-Pflege der symphonischen Literatur sicher. Unter der Leitung ihres ersten Chefdirigenten Ferdinand Löwe leisteten sie auch bezüglich der dauerhaften Verankerung der Werke Anton Bruckners und Johannes Brahms‘ im Wiener Repertoire unermüdliche Überzeugungsarbeit. „Die Geschichte des Wiener Konzertvereines ist zugleich die Geschichte der Versöhnung zwischen dem konservativen und fortschrittlichen Musik-Wien“ brachte der einflussreiche Wiener Musikkritiker Richard Batka das Profil des Orchesters am 19. Februar 1915 im Fremdenblatt auf den Punkt.

Die bewegte Geschichte der Wiener Symphoniker lässt sich auch an den Namensänderungen in den ersten Jahrzehnten ihrer Existenz ablesen. Im Oktober 1900 formierte sich der Klangkörper, der schon einige Monate zuvor schlicht als „Neues Philharmonische Orchester“ in Erscheinung getreten war, unter dem Namen „Wiener Concertverein“. Im Ersten Weltkrieg konnte die Auflösung des Orchesters nur durch die Fusion mit dem 1913 gegründeten „Wiener Tonkünstlerorchester“ verhindert werden. Zunächst spielte man unter Beibehaltung beider Namen, bis 1922 schließlich auch die Verwaltungen beider Vereine zusammengelegt wurden. Fortan trat das Ensemble als „Wiener Sinfonie-Orchester“ in Erscheinung, bis es schließlich 1933 seinen bis heute gültigen Namen annahm. Die prekäre finanzielle Lage infolge der verheerenden Wirtschaftskrise konnte damals zwar mit der Übernahme eines Großteils der Orchesterdienste durch die RAVAG konsolidiert werden, die bereits ständestaatlich kontrollierte Rundfunkgesellschaft erzwang dabei jedoch die Neugründung des Vereins samt Neuverhandlung der Dienstverträge zum Nachteil der Musiker. Dabei kam es auch zum Bruch mit dem jüdischen Violinisten Hugo Gottesmann, der als langjähriger Erster Konzertmeister - und ab 1929 regelmäßig auch als Dirigent - das künstlerische Profil des Orchesters in der Zwischenkriegszeit mitgeprägt hatte.


Unter dem neuen Orchesterchef Oswald Kabasta feierten die Wiener Symphoniker in den kommenden Jahren bei großen England- und Italien-Tourneen erstmals auch international Erfolge. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden sie schließlich kommunalisiert. Dies brachte eine deutliche Erhöhung der Musikergagen mit sich – was wohl auch zu der allgemeinen Zustimmung zum politischen Regime unter den Mitgliedern beitrug. Das Orchester entfaltete in den kommenden Jahren eine rege Konzerttätigkeit, ehe es – bereits personell durch Einberufungen an die Front erheblich reduziert – seinen Betrieb im August 1944 für insgesamt acht Monate stilllegen musste.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Wiener Symphoniker unter denkbar schwierigen Bedingungen wieder ins Leben gerufen. Beim „Festkonzert zur Neubildung des Orchesters“ am 16. September 1945 spielten sie mit Gustav Mahlers Dritter Symphonie endlich wieder Musik des vormals verfemten großen Wiener Komponisten. Für die nach 1945 geleistete Aufbauarbeit zeichneten vor allem die damaligen Chefdirigenten Hans Swarovsky sowie Josef Krips maßgeblich verantwortlich. Danach waren es die Chefdirigenten Herbert von Karajan (1948–1964) und Wolfgang Sawallisch (1960–1970), die das Klangbild des Orchesters entscheidend formten. In dieser Position folgten – nach kurzzeitiger Rückkehr von Josef Krips – Carlo Maria Giulini und Gennadij Roshdestvenskij. Georges Prêtre, formal von 1986 bis 1991 Chefdirigent des Orchesters, bevorzugte die Bezeichnung „Erster Gastdirigent“ für seine Tätigkeit. Danach übernahmen Rafael Frühbeck de Burgos und Vladimir Fedosejev das Orchester wieder in der offiziellen Position. Ab Beginn der Saison 2005–06 leitete Fabio Luisi als Chefdirigent die Wiener Symphoniker, sein Nachfolger war von 2014 bis 2020 der Schweizer Philippe Jordan. Von 2020 bis 2022 hatte der Kolumbianer Andrés Orozco-Estrada die Position des Chefdirigenten inne.

Als Gastdirigenten feierten zudem Stars wie Lorin Maazel, Zubin Mehta, Claudio Abbado, Carlos Kleiber oder Sergiu Celibidache viel beachtete Erfolge. Neben ihrer Präsenz in den großen symphonischen Zyklen des Musikvereins und des Wiener Konzerthauses veranstalten die Wiener Symphoniker seit Anfang der 1980er Jahre auch eigene Abonnement-Konzerte und präsentieren sich zudem im Rahmen einer Kammerkonzerte-Reihe. Die künstlerische Arbeit der Wiener Symphoniker ist durch eine große Zahl von hochwertigen CD-Produktionen dokumentiert.

Bereits seit 1946 sind die Wiener Symphoniker jeden Sommer das Orchestra in Residence der Bregenzer Festspiele. Dort treten Sie nicht nur als Opernorchester beim Spiel am See und bei der Oper im Festspielhaus in Erscheinung, sondern sind auch mit mehreren Orchesterkonzerten vertreten. Zusätzlich wirken die Wiener Symphoniker seit 2006 bei zahlreichen Opernproduktionen im Theater an der Wien mit und unterstreichen damit ihre herausragende Stellung im Musikleben Wiens.

Dirigentenstock
Taktgeber des Orchesters

Dirigenten der Wiener Symphoniker

Dirigentenpersönlichkeiten wie Richard Strauss, Wilhelm Furtwängler, Bruno Walter, Hans Knappertsbusch, George Szell, Herbert von Karajan, Wolfgang Sawallisch, Georges Prêtre und Fabio Luisi – um nur einige zu nennen – prägten und prägen den Klang und Musizierstil der Wiener Symphoniker.

WienerSymphoniker(c)PeterRigaud
Ein Blick in die Frühgeschichte

Am Puls der Zeit

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Beethoven-Pioniere seit 1900

Alle Neune!

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von Michael Krebs