Der Weg zum Orchestermusiker

Das Probespiel

13.5.2020

 

Bewerbung

Die Ausschreibung zu einem Probespiel ist über https://www.muvac.com und unsere Website https://www.wienersymphoniker.at/de/orchester/jobs zu finden. Zusätzlich schalten wir ein Inserat im Branchenmagazin „Das Orchester“ (https://dasorchester.de). Die Bewerbungen werden ausschließlich online über https://www.muvac.com gesammelt, und auch das Bewertungssystem erfolgt online über die muvac Website. Die Bewerbungsfrist zu einem Probespiel endet in der Regel acht Wochen vor dem festgelegten Termin des Probespiels. Eine Zulassungskommission entscheidet, ob man zum Probespiel eingeladen wird oder nicht. Die Einladung erfolgt mindestens sechs Wochen vor dem Probespiel.

Die große Anzahl an begabten jungen Musikern zeigt sich auch in der Anzahl der Bewerbungen um eine freie Orchesterstelle. So gab es in der Spielzeit 2019/20 für eine offene Stelle als Violine Tutti mehr als 200 Bewerber, von denen 22 schlussendlich zum Probespiel eingeladen wurden. Das Probespiel bei den Wiener Symphonikern läuft üblicherweise in mehreren Runden ab.

Vorprobespiel

Für Studierende gibt es eigene Vorprobespiele, die in der Regel am Tag vor dem eigentlichen Probespiel stattfinden. Die Jury besteht dann nur aus der jeweiligen Stimmgruppe im Orchester. Das Vorprobespiel findet anonym hinter einem Paravent statt und umfasst in der Regel nur eine Spielrunde.

Probespiel

Qualifiziert man sich, so ist man seinem Ziel schon einen Schritt näher, und wird zum Probespiel eingeladen. Auch bei diesem ist die erste Runde wieder hinter einem Paravent - nur der reine Klangeindruck soll zählen, um die Neutralität der Juryentscheidung zu gewährleisten. Bei den letzten Runden, in denen es um den genauen künstlerischen Vergleich geht, spielt auch die Gesamterscheinung der Bewerber und Bewerberinnen eine wichtige Rolle. Wenn die Jurorinnen und Juroren der Meinung sind, kein Bewerber habe das erwünschte Niveau, können sie die Audition abbrechen, ohne die Stelle zu vergeben. In diesem Fall wird die Position nach einiger Zeit erneut ausgeschrieben und ein weiteres Probespiel abgehalten.

 

 

Wir haben Herrn Univ. Prof. Ernst Weissensteiner, Solokontrabassist der Wiener Symphoniker zum Interview gebeten.

Welche Stücke werden bei fast allen Orchestern in den Probespielen verlangt? Könntest du da ein paar Klassiker nennen, die man sich frühzeitig aneignen sollte?

Für Kontrabass-Probespiele bei Orchestern mit klassisch-romantischem Repertoire sind meist Stellen aus der Orchesterliteratur wie z.B. aus Beethovens Neunter oder Fünfter Symphonie, Mozarts Symphonie Nr. 40, Richard Strauss‘ „Ein Heldenleben“, oder Bruckners Siebenter Symphonie vorzuspielen. Bei Opernorchestern kommen wahrscheinlich noch Stellen aus Wagners „Walküre“, Verdis „Othello“ und „Rigoletto“ und aus Opern von Richard Strauss, Arnold Schönberg und Benjamin Britten dazu. Außerdem wird meistens ein klassisches Kontrabass-Konzert von Dittersdorf oder Vanhal, und ein romantisches Konzert von Bottesini oder Kousewitzky verlangt.

Dass man sein Instrument perfekt beherrscht, davon gehen wir bei allen Kandidatinnen und Kandidaten aus. Welche Möglichkeiten bestehen darüber hinaus, die Werke die für das Probespiel zur Auswahl stehen, vorzubereiten?

Wichtig ist sicher, das jeweilige Orchesterwerk auch im Gesamten gut zu kennen, und nicht nur einzelne Stellen oder Takte daraus. Man kann sich ruhig mal die Partitur anschauen oder andere Stimmen daraus. Von Vorteil ist sicher, wenn man wichtige Werke der Orchesterliteratur auch schon mal gespielt hat, beispielsweise an der Universität oder in Jugendorchestern.

Rätst du Kandidaten und Kandidatinnen, Orchestermitgliedern vorzuspielen, um sich vorab Feedback zu holen?

Das kann durchaus sinnvoll sein, ist aber für den Erfolg beim Probespiel nicht zwingend nötig. Um den spezifischen Klang eines Orchesters zu hören finde ich Konzertbesuche empfehlenswert. Bei dieser Gelegenheit kann man ja auch Musiker ansprechen, wenn man den Wunsch hat vorzuspielen.

Ist es ratsam bei einem Mitglied der Wiener Symphoniker Privatstunden zu nehmen?

Auch das muss jeder für sich entscheiden. Die meisten Bewerber und Bewerberinnen für Probespiele haben ja eine Verbindung zu einer Lehrperson an der Universität oder eben auch privat. Information ist immer gut, es sollte aber auch nicht ein Durcheinander von Ideen dabei entstehen. Der Probespiel-Aspirant muss ja doch seine eigene Stimme finden um authentisch zu sein.

Was gehört dazu, um sich als Musiker gut in den Orchesterklang einzufügen oder einzufinden?

Der Wille zum gemeinsamen Musizieren ist ganz wichtig, und zu merken was rund herum passiert. Mich erinnert es manchmal an ein großes Fußballteam: jeder ist ein Individualist und hat hart an sich gearbeitet, trotzdem geht es um das Zusammenspiel und nicht um die Selbstverwirklichung seines Tuns. Hier ist auch eine reife Persönlichkeit gefordert mit sozialer Kompetenz.

Wie kann man sich mental auf so eine schwierige Situation vorbereiten?

Gewisse sportliche Elemente sind einem Probespiel ja nicht abzusprechen. Man muss sich intensiv auf die verlangten Aufgaben vorbereiten, sein Instrument beherrschen und im Moment des Vorspiels seine optimale Leistung bringen können, nicht 10 Minuten vorher oder eine Stunde später. Hier auch mental zu arbeiten, wie es im Sport durchaus üblich ist, um Leistungen auf den Punkt abliefern zu können, kann sicher gut sein.

Wie lange dauert ein Probespiel?

Bei einem Probespiel muss man geduldig sein und die Kräfte gut einteilen. In der ersten Runde kann es schon mal vorkommen, dass man 2 Stunden auf sein erstes Vorspiel wartet. Dann gibt es Besprechungen der Jury, die bei uns aus ca. 20 Personen besteht, und dann die nächste Runde und so weiter bis am Schluss eine Kandidatin oder ein Kandidat übrigbleibt.

Was für Trostpflaster gibt es, wenn ich das Probespiel nicht gewinne?

Musiker und Musikerinnen, die sich beim Probespiel gut präsentieren, die Stelle aber nicht bekommen, werden sehr häufig auch zum Substituieren eingeladen. Durch die intensive Vorbereitungszeit auf ein Probespiel lernt man ja auch viel, und im Idealfall kann man auf diese Erfahrung bei der nächsten Gelegenheit zurückgreifen und sich noch steigern.

 

Für dieses Interview sprach Christina Kolin mit Univ. Prof. Ernst Weissensteiner. Er ist seit 1986 Mitglied der Wiener Symphoniker, und seit 1991 deren erster Solobassist.