MARTHA ARGERICH

MARTHA ARGERICH

JAHRHUNDERTPIANISTIN SPIELT PROKOFJEW

12. Februar 2020

Foto von Martha Argerlich am Piano

Ihre Auftritte sind seit jeher von einer elektrisierenden Energie. Die eigenartige Mischung ihrer auf dem Podium zunächst eher scheu wirkenden Persönlichkeit mit einem geradezu raubtierhaft herausbrechenden Musikantentum, sobald sie die Herrschaft über die Tasten ergreift und diese zum Glühen bringt, hat bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Im Gegenteil. Nur wenige Pianistinnen verfügen über eine derartige Kraft, Virtuosität, Brillanz, Ungezügeltheit, Eigensinnigkeit und zugleich Tiefe, Ungeschütztheit, aber auch Poesie in ihrem Spiel wie die 1941 in Buenos Aires geborene Martha Argerich. Mit Wien verbindet sie Vieles seit Friedrich Gulda, der eigentlich keine eigenen Schüler ausbildete, sie in die Musikmetropole lockte. Als „eine Wilde, eine Verrückte, nicht leicht zu behandeln und immer ein Risikofaktor“, bezeichnete er sie und war von ihrem Künstlertum doch zutiefst fasziniert. 

schwarz weiß Foto von Lahav Shani

Mit dem gerade erst 31-jährigen israelischen Dirigenten Lahav Shani – Erster Gastdirigent der Wiener Symphoniker, seit 2018-19 Chefdirigent von Rotterdam Philharmonic und 2020 von Zubin Mehta die Leitung des renommierten Israel Philharmonic Orchestra übernehmend – kehrt Martha Argerich nun mit einem der Herzstücke ihres Repertoires ins Konzerthaus zurück: Sergej Prokofjews Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur op. 26.

1921 während eines Sommeraufenthaltes in der Bretagne entstanden, aber musikalisches Material integrierend, das er teils Jahre zuvor schon entwickelt hatte, verbindet das Klavierkonzert die für Prokofjew so typische brillante, an den Stil Haydns angelehnte neoklassische Spritzigkeit mit einer expressiven Leidenschaftlichkeit und ungeheuren kinetischen Energie: rabiate Brüche und Verwerfungen, hämmernde Rhythmen, atemberaubend schnelle Läufe, Arpeggien und Akkordkaskaden, die immer wieder aber auch auf filigrane Klangfarbenspiele und Melodien von volksliedhafter Schlichtheit oder eindringlicher Emotionalität treffen, stellen allerhöchste Anforderungen an den Interpreten – und sind für den Zuhörer ein euphorisierender „Ritt“ durch Prokofjews geistreich-freche Kompositionskunst. Ein Meisterwerk des frühen 20. Jahrhundert, gespielt von einer der bedeutendsten Pianistinnen unserer Zeit!

Wie Prokofjew, der Russland 1918 verließ und sich zunächst in den USA, später dann in Frankreich niederließ, entschied sich auch sein Landsmann Sergej Rachmaninow bereits 1917 aufgrund der immer größeren Verarmung des Landes während des Ersten Weltkriegs und verängstigt durch die Wirren der Oktoberrevolution zur Emigration. Anders als Prokofjew kehrte Rachmaninow jedoch nie mehr zurück. Er versuchte in den USA, wo man ihn so sehr als Dirigenten und Pianisten feierte, Fuß zu fassen. Sich in seiner neuen Wahlheimat zu akklimatisieren gelang ihm allerdings nicht wirklich. Rachmaninow blieb ein russischer Emigrant, der nur schlecht Englisch sprach, sich bis zuletzt fremd und auch in seinen Kompositionen nicht verstanden fühlte. So schuf er in den insgesamt 26 Jahren seines Exils nur noch wenige Partituren, darunter seine im Herbst 1940 entstandenen Sinfonischen Tänze op. 45, die Lahav Shani am Pult der Wiener Symphoniker im zweiten Teil des Programms zur Aufführung bringt.

Sie sind Rachmaninows letztes Werk, sein sinfonisches Vermächtnis – und ein zutiefst persönliches musikalisches Credo: Tänze zwischen Leben und Tod von meisterhafter Behandlung der Orchesterfarben und größter Vitalität des kompositorischen Zugriffs. Eine sinfonische Apotheose des Tanzes.  (Anne do Paço)