FLORIAN ZWIAUER

FLORIAN ZWIAUER

KONZERTMEISTER

28. Mai 2019

Florian Zwiauer

Zum letzten Mal wird der Erste Konzertmeister der Wiener Symphoniker Florian Zwiauer, bei dem Requiem das Orchester leiten, bevor er Anfang Juni in den wohlverdienten Ruhestand gehen wird. Seit dem 1. September 1989 hat Zwiauer die Position des Ersten Konzertmeisters bekleidet und die künstlerische Entwicklung der Symphoniker unter Chefdirigenten wie Georges Prêtre, Rafael Frühbeck de Burgos, Vladimir Fedosejev und Fabio Luisi mitprägen und entscheidend zum Höhenflug der jüngeren Geschichte unter Philippe Jordan beitragen können. 

Dabei fand Florian Zwiauer erst vergleichsweise spät zum Beruf des Konzertmeisters und Orchestermusikers. Seine erste Liebe galt der Kammermusik "Meine Eltern waren beide begeisterte Amateurmusiker und ich durfte auch schon in jungen Jahren immer wieder mit Ihnen Kammermusik spielen. Das war nicht immer ganz ohne, aber auch wenn mir nicht alle dieser Zusammenkünfte glorreich in Erinnerung sind, so waren sie doch ein ganz entscheidendes Element in meiner musikalischen Entwicklung." Die Leidenschaft für Kammermusik und speziell das Streichquartett bestimmten dann auch Zwiauers ersten Schritt als professioneller Musiker. So entschied er sich gegen die solistische Laufbahn, die ihm als Gewinner des gesamtösterreichischen Wettbewerb "Jugend musiziert" und einem Zweiten Preis beim Internationalen Mozart-Violin-Wettbewerb in Salzburg 1978 durchaus offen gestanden hätte. Nach dem Abschluss seines Studiums beim legendären Wiener „Geigerpapst“ Franz Samohyl und einer mit einstimmiger Auszeichnung abgelegten Diplomprüfung 1977 setzte er zunächst auf eine Karriere als Mitglied des von ihm begründeten Franz-Schubert-Quartetts, welches bereits im Jahr seiner Gründung den 1. Preis beim Internationalen Streichquartettwettbewerb der EBU in Stockholm erringen und eine steile internationale Karriere starten konnte konnte. „Samohyl schrieb mir einmal ein Empfehlungsschreiben, auf das ich wahnsinnig stolz war. Dort stand: „Die Wiener Philharmoniker haben auf ihn als zukünftigen Konzertmeister bereits ein Auge geworfen.“ Entschieden habe ich mich – zu Samohyls großen Bedauern – aber dennoch für das Streichquartett."

Trotz großer Erfolge im In- und Ausland als Kammermusiker entschloss er sich Ende der 80ger Jahre zum Probespiel bei den Symphonikern anzutreten: "Auslöser waren einerseits ganz profane Gründe: „Ich hatte eine Familie zu versorgen. Andererseits hatte ich zu der Zeit einen Studenten, der schon damals Mitglied der Wiener Symphoniker war. Er hat mich eindringlich gebeten, für die damals vakante Stelle des 1. Konzertmeisters vorzuspielen: Ich überlegte monatelang und beschloss wenige Tage vor meinem 35. Geburtstag, der damaligen Altersgrenze, anzutreten – und gewann."

Der Wechsel in den großen Apparat eines Orchesters hatte aber durchaus ihre Tücken: "Die ersten Jahre waren eine große Herausforderung. Natürlich kannte ich das symphonische Repertoire, das ich immer gehört und geliebt habe –aber gespielt hatte ich es ja nicht. Das Schwierigste war für mich deshalb zunächst das Tutti, weniger die Soli. Und dann das Anführen von so vielen fantastischen Musikern, die mit den Werken ja viel vertrauter waren und ihre eigenen Vorstellungen hatten, wie etwas zu spielen war. Es war nicht immer einfach, ich erlebte auch viel Widerstand. Aber letztlich ist das ein Prozess, durch den man als Konzertmeister hindurch muss.

Der Rest ist (Musik-)Geschichte. Mehr als 2000 Konzerte und Veranstaltungen hat Zwiauer mit den Wiener Symphonikern seitdem gespielt. "30 Jahre Wiener Symphoniker sind in erster Linie Dankbarkeit: Dankbarkeit gegenüber dem Orchester und den großartigen Kollegen. Aber auch gegenüber den großen Künstlerpersönlichkeiten, mit denen ich arbeiten dufte. Die Begegnungen, aus denen tiefe und enge Freundschaften erwachsen sind, wie mit Wolfgang Sawallisch, meinen engen, viel zu früh verstorbenen Freund Yakov Kreizberg oder auch Vladimir Fedosejev, mit dem ich vor wenigen Wochen noch einmal hier im Musikverein spielen konnte. Aber 30 Jahre Wiener Symphoniker sind auch ein ständiges Füllhorn an Anregungen und Impulsen, ein stetiger künstlerischer Lernvorgang, den ich sehr vermissen werde." 

Bei aller Offenheit gegenüber Neuen fühlt sich Zwiauer dabei zunächst den Traditionen, aus denen die Wiener Symphoniker erwachsen sind, verpflichtet. "Es gibt heute mehr qualitative Spitzenorchester denn je. Was uns unterscheidet, ist unser ganz eigener Klang. Es ist deshalb die Aufgabe eines Ersten Konzertmeisters der Wiener Symphoniker, diesen einzigartigen und so schwer in Worte zu fassenden Wiener Klang – auch als Distinktionsmerkmal – zu bewahren und weiterzugeben und die nachkommenden Orchestermitglieder, woher sie auch kommen, zu unterstützen, in ihn hineinzuwachsen." Die Liebe zur Tradition ist ihm aber auch aus anderen Gründen wichtig. "Ich hatte das Glück einen Lehrer und Mentor zu haben, der Richard Strauss noch persönlich kannte. Über ihn und seine Erzählungen hatte ich quasi direkten Bezug zu einem Giganten der Musikgeschichte. Das erfüllte mich immer mit großer Demut. Im Vergleich zu diesen großen Schöpfern ist unsere Rolle als Interpreten eine Dienende, – wir realisieren, was andere geschaffen haben. Unsere Verantwortung gilt ihnen und ihrem Werk und natürlich dem Publikum, für das wir auftreten." Demut und Verantwortung sind auch die zentralen Kategorien, wenn Zwiauer in die Zukunft des Musikbetriebs blickt: "Letztlich wissen wir nicht, wie sich das Musikleben entwickeln wird – aber ich bin überzeugt, so lange wir Freude am Musizieren haben, Respekt vor den großen Werken, und Verantwortung spüren gegenüber den großen Meistern, brauchen wir uns nicht zu sorgen. Letztlich geht es doch um den menschlichen Kontakt – ich glaube leidenschaftlich an das klassische Konzertformat und sein Potenzial, das Leben der Menschen zu bereichern." 

Traditionsbehaftet und offen, verantwortungsbewusst gegenüber Werk und Publikum, auch was seine eigene Zukunft angeht, hat Zwiauer durchaus ambivalente Gefühle:  "Natürlich ist es nicht leicht, das Orchester zu verlassen und dieses Kapitel, dieses Lebensgefühl zu schließen. Es schmerzt, selbst nicht Teil der so verheißungsvollen Zukunft zu sein. Gleichzeitig freue ich mich sehr, auf das was kommt: Mein Garten, Zeit mit meiner Frau zu verbringen, Tanzkurse, Reisen. Ich freue mich sehr, auf das was kommt. Und hoffe, dass ich der Musik nicht ganz abhandenkomme."